16.07.14

Kader und Neuzugänge für 2014/15 - Goalimpact

Kurz bevor die Saison 2014/15 in Österreich beginnt, kann man sagen, dass der Kader von Red Bull Salzburg überaus komplett ist. Lediglich, wenn noch ein Spieler seinen Wechselwunsch äußern würde, müssten Ralf Rangnick und Adi Hütter sowie das Scouting-Team noch einmal aktiv werden: Für jeden der Abgänge wurde schon ein positionsgetreuer Nachfolger verpflichtet, und unter diesen Abgängen befindet sich kein Stammspieler der Saison 2013/14. Auch mit Kevin Kampl hat man den Vertrag kürzlich verlängert. Wie wertvoll das Halten der Stammelf wirklich ist, soll mit dieser Kaderanalyse aufgezeigt werden. Ein weiterer wesentlicher Punkt ist die Vorstellung der Neuzugänge.

All das soll mit Hilfe des Goalimpacts geschehen, der von Jörg Seidel entwickelt wurde. Zunächst soll ein herzlicher Dank dafür an ihn ausgerichtet werden, dass er großzügigerweise mir die Werte und Karriereverläufe des Salzburger Kaders zur Verfügung gestellt hat. Wer sich genauer für die Methodik interessiert, soll sich den ersten Teil des Artikels über den WM-Kader der Schweiz und/oder Jörgs eigene Beschreibungen durchlesen. Hier soll nur eine kürzere Fassung folgen.

Die Methodik des Goalimpacts


Der Goalimpact (GI) eines Spielers orientiert sich nicht an subjektiven Maßen wie dem persönlichen Eindruck oder dem Status des Klubs und auch nicht an unterschiedlich interpretierbaren Statistiken wie erzielten Toren, Pässen etc.. Das einzige, was zählt, ist die Tordifferenz der Mannschaft, während der Spieler im Einsatz ist. An der Objektivität gibt es prinzipiell also keine Zweifel.
Allenfalls kann es vorkommen, dass der tatsächliche Einfluss eines Einzelspielers nicht richtig eingeschätzt/-berechnet wird. Fußball ist immer noch ein Spiel mit 11 vs. 11, ein Spieler kann also durchschnittlich zu 4,5% (=1/22) Einfluss auf das Resultat (=die Tordifferenz) nehmen. Unter diesen Voraussetzungen ist es natürlich zumindest über kurze Zeiträume gut möglich, dass ein Spieler eine hohe persönliche Tordifferenz erreicht, ohne dass er selbst besonders stark aufgetreten ist. Aber über längere Zeiträume können sich solche Anomalien herausmitteln.

Warum der Goalimpact für diese Analyse so optimal geeignet ist


Ein wichtiger Grund ist, dass man mit dem GI theoretisch alle Spieler aus allen Ligen miteinander vergleichen kann. Denn in die Zahlen fließen nicht nur die nackten Resultate ein, auch die Qualität (=die GI) der Mit- und Gegenspieler wird mit ins Kalkül gezogen. Die Vergleichsmöglichkeiten entstehen einerseits durch internationale Spiele und andererseits durch Transfers von einer Liga zur anderen.
Ein 3:0 gegen Ajax Amsterdam hat also einen größeren, positiven Einfluss als ein 3:0 gegen Wacker Innsbruck. Umgekehrt würde ein Wechsel von Lionel Messi nach Salzburg nicht nur die Erwartungen der Öffentlichkeit, sondern auch jene des GI erhöhen. Ein 2:0 gegen Wiener Neustadt wäre mit Messi am Platz also nicht mehr so wertvoll wie ohne ihn, weil ein Spieler dieser Qualität dieses Ergebnis wesentlich erwartbarer machen würde.

Der zweite, noch viel entscheidendere Aspekt ist, dass der GI die momentan einzige Informationsquelle für die  meisten Neuzugänge ist, wobei ja gerade neue Spieler umso interessanter sind. Eine detaillierte Analyse mit den taktischen Spieldaten wie bei Marcel Sabitzer ist nicht möglich, weil ich schlicht keine Daten über die transferierten Spieler finde (außer eben zu Sabitzer). Und um mir mit Bildmaterial ein Bild von den Spielern zu machen, fehlen mir zum einen ebenfalls die Möglichkeiten und zum anderen die Zeit. Wenn man sich die abgesehen vom GI verfügbaren Möglichkeiten vor Augen führt, muss man den Dank an Jörg noch einmal vergrößern.

Hinweise zur Interpretation


Zwar ist schon im Schweiz-Artikel ein Abschnitt der Interpretation gewidmet, aber an dieser Stelle soll auf 2 Aspekte gesondert hingewiesen werden:

  1. Ralf Rangnick betont zur Genüge, dass man nicht alle Spieler für die Gegenwart, sondern vor allem für die Zukunft holt. Insofern ist es gerade bei jungen Spielern sehr sinnvoll, nicht nur auf den momentanen GI, sondern vielmehr auf den Peak-GI zu achten. Der Peak-GI ist ein prädiktives/retrospektives Maß dafür, wie gut der Spieler an seinem Höhepunkt (=Peak) sein müsste. Bei jungen Spielern handelt es sich also um eine Vorhersage, bis auf welchen Wert er sich nach heutigem Stand und bei normaler Entwicklung verbessern könnte.
  2. Es kann sein, dass der Goalimpact aktuell das Salzburger Bild etwas überzeichnet, d.h., dass er einige Spieler überbewertet. Das würde an 3 Gründen liegen:

    -Die letzte Saison ist so gut verlaufen ist, dass sie  wohl nicht so schnell wiederholbar ist. Es ist ja fast ein Naturgesetz, dass auf übermäßig gute Leistungen im ersten Zeitraum eher schlechte im zweiten Zeitraum folgen.

    -Der GI orientiert sich bekanntlich an der Tordifferenz. Und dadurch, dass es wegen der sehr offensiven Spielweise 2013/14 so viele Kantersiege gab, verbuchte Salzburg eine besonders hohe Tordifferenz. Somit hat sich der GI der Salzburg-Spieler in höherem Grad positiv verändert als bei einer Mannschaft, die durch "normale" Siege mit 1-3 Toren Vorsprung die gleiche Punktezahl erreicht hat.

    -Eine weitere Erklärung ist die Komponente Roger Schmidt: So fortschrittlich der Goalimpact ist, den Einfluss des Trainers auf die Tordifferenz misst auch er nicht. Und für die herausragenden Ergebnisse (=Verbesserungen des GI) 2013/14 sind sicherlich nicht nur durch die individuellen Qualitäten der Akteure verantwortlich. Zwar hat sich der eine oder andere Spieler unter Schmidt auch individuell mehr als nur verbessert, und diese individuellen Qualitäten dürften ihnen erhalten bleiben. Aber zu einem wesentlichen Teil müssen Salzburgs herausragende Ergebnisse auch wegen Schmidts Strategie zustande gekommen sein, die der Mannschaft prinzipiell mit Schmidts Abgang abhandenkommt. Heißt: Mit einem anderen (schlechteren) Trainer wären die Werte weniger stark explodiert.
Man wird sehen, ob Adi Hütter sich dem taktischen Geschick des künftigen Leverkusen-Trainers zumindest annähern kann und auf welchem Niveau sich die GI einpendeln werden. Jörg persönlich schätzt, dass eine Überbewertung allerhöchstens 10 Punkte betragen würde.

Um die GI-Zahlen einordnen zu können, öffne man diesen Link. Und auf ligainsider.de findet man die Goalimpact-Daten aller Spieler der deutschen Bundesliga.
Falls jemand jetzt noch gravierende Verständnisprobleme oder Zweifel hat, kann er gerne eine Frage als Kommentar hinterlassen. Ansonsten sei noch einmal auf den Schweiz-Artikel und die Links, die von dort zu Jörgs Erklärungen führen, hingewiesen.

Die beste Mannschaft laut Goalimpact


Beginnen wir mit der laut Goalimpact aktuell besten Salzburger Elf. Das 4-4-2/4-2-2-2 als Formation sollte klar sein, nachdem es fast in der gesamten Saison 2013/14 praktiziert worden ist und nachdem es auch Adi Hütter in den Vorbereitungsspielen sowie beim 10:1 im ÖFB-Cup gegen Sollenau beibehalten hat. Die Frage ist nur: Spuckt auch der GI die Spieler in einer Rangfolge aus, durch die man die Spieler im 4-2-2-2 anordnen kann?
(Die Zahlen unter den Spielernamen geben übrigens nicht das Alter, sondern den GI der Spieler an.)

Er tut es. Im Grunde genommen handelt es sich um die Stammelf von 2013/14. Die Neuzugänge müssen sich demnach erstmal hinten anstellen. Das ist übrigens nicht nur die exklusive "Meinung" des GI, sondern die Realität: Beim schon erwähnten 10:1-Sieg in Sollenau durfte sich bis auf den noch nicht ganz fitten André Ramalho exakt diese Mannschaft beweisen.

Allerdings sagt die Grafik uns überhaupt nichts über  vergangene und (prognostizierte) zukünftige Entwicklungen. Deswegen wollen wir uns jetzt jede Position für sich ansehen. Neben dem aktuellen Goalimpact sollen auch der Peak-GI als Vorhersage für die Zukunft und die Verbesserung im letzten Jahr in % berücksichtigt werden. (Manche Spieler lassen sich natürlich mehreren Positionen zuordnen; es liegt jedem Leser frei, auch Spieler zu vergleichen, die hier unterschiedlichen Kategorien zugeordnet sind.)

Die Torhüter


(Für Torhüter ist noch kein Peak-GI verfügbar; Fabian Bredlow wird nicht einbezogen, weil bisher zu wenig Spielzeit in seinen GI eingeflossen ist)

Wie zu erwarten liegt der Vorteil auf Seiten von Péter Gulácsi. Zwar erscheint sein GI im Vergleich zum Rest der Mannschaft (siehe Aufstellungsgrafik oben) auf den ersten Blick fast niedrig, doch ein Torhüter ist bekanntermaßen mit 24 Jahren normalerweise noch lange nicht an seinem Maximum angekommen. Das heißt, Gulácsi könnte bei normalen Verlauf seinen GI wohl noch steigern. Demgegenüber ist Alexander Walke mit seinen 31 Jahren langsam auf seinem Zenit angekommen.

Diese Tendenz ist auch aus der Entwicklung des letzten Jahres erkennbar: Während Alexander Walke stagnierte (die marginale Verschlechterung wird durch das Aufrunden verschluckt), verbesserte sich Gulácsi um 24%. Es scheint also ziemlich klar zu sein, dass dem Ungarn abgesehen von etwaigen Formschwächen die Zukunft im Bullen-Tor gehört.

Die Innenverteidiger


(Asger Sörensen wird nicht einbezogen, weil bisher zu wenig Spielzeit in seinen GI eingeflossen ist)

Auch im Kampf um die beiden Plätze in der Innenverteidigung stechen die beiden Stammspieler der letzten Saison hervor: Martin Hinteregger und André Ramalho liegen in allen 3 Kategorien auf Augenhöhe und weisen dabei einen klaren Vorsprung auf Isaac Vorsah, Franz Schiemer und Rodnei auf. 

Besonders bemerkenswert ist der extrem hohe Peak-GI des Österreichers und des Brasilianers. Mit rund 150 liegen sie nicht nur teamintern an 1. und 2. Stelle (also beispielsweise vor Kevin Kampl), sondern auch weltweit würde ein aktueller GI von 150 für die Top 30 reichen. Dabei verdeutlichen die Karriereverläufe, dass die hohen Werte beileibe nicht nur aus 2013/14 rühren:


(Die durchgezogenen Linie zeigt den Verlauf des "normalen" GI, die gestrichelte Linie den des vorausberechneten Peak-GI; zum Vergrößern zoomen oder aufs jeweilige Bild klicken)

Ramalhos Peak-GI betrug seit Anfang 2012 nie weniger als 125. Hinteregger war sogar in seiner ganzen Karriere noch schwächer als 130 prognostiziert. Auch diese Zahlen würden schon absolut reichen, um zumindest am Höhepunkt der Leistungsfähigkeit bei eine gute Rolle bei einem guten Team einer guten europäischen Liga spielen zu können. Die Wertsteigerung im letzten Jahr fiel wie in der Einführung beschrieben zwar wahrscheinlich ein bisschen zu hoch aus, doch grundsätzlich hat der vom GI dargestellte Trend sicherlich seine Richtigkeit. Ramalho hat bis 2013 ohnehin noch in der Regionalliga beim FC Liefering gespielt, und auch Hinteregger hat man wohl noch nie so abgeklärt erlebt wie 2013/14. Er wurde ja auch hier vor ein paar Wochen für seine niedrige Fehleranfälligkeit gelobt.

Hinter dem offenbar äußerst talentiertem Innenverteidiger-Duo bilden Franz Schiemer, Isaac Vorsah und Rodnei drei zumindest passable Ersatzleute. Auch dieses Trio liegt laut GI fast auf Augenhöhe. Mit dem Blick darauf, dass Adi Hütter mit Asger Sörensen einen gewiss talentierten Decker in der Hinterhand hat (auch wenn es der Goalimpact noch nicht genau genug vorhersagen kann), ist die Innenverteidigerposition sehr gut besetzt. Wenn man davon ausgehen könnte, dass der Verletzungsteufel diesmal ausbleibt, könnte man sogar noch einen IV abgeben.

Auf den einen oder anderen mögen die 3 Ersatzleute in der jüngeren Vergangenheit vielleicht öfters unsicher gewirkt haben. Jedoch kann das auch damit zu tun haben, dass aufgrund von ständig wiederkehrenden Verletzungsproblemen keiner der 3 einen richtigen Rhythmus fand. Der GI suggeriert jedenfalls, dass alle 3 an und für sich die Fähigkeiten für Red Bull Salzburg haben, wenngleich sie abgesehen von Leistungsschwankungen klar hinter Ramalho und Hinteregger zurückliegen.

Die Außenverteidiger


Bei den Außenverteidigern wurde in dieser Transferzeit ein kleiner Generationswechsel vollzogen: Als Kompensation für die Abgänge von Florian Klein (27,5 Jahre, Rechtsverteidiger) und Dusan Svento (knapp 29 Jahre, Linksverteidiger/Flügelspieler), denen jeweils ein Wechsel in die deutsche Bundesliga gewährt wurde, wurden Benno Schmitz (19,5) und Peter Ankersen (knapp 24) verpflichtet. Die beiden Neuzugänge können nach ersten Verlautbarungen wohl sowohl rechts als auch links eingesetzt werden, weswegen die rechte und die linke Seite zusammengefasst begutachtet werden.

Einen solchen Generationswechsel durchzuführen, ist auch abgesehen von Kleins und Sventos Alter sinnvoll, denn auch Ulmer (knapp 29) und Schwegler (30) sind nicht jünger als ihre ehemaligen Mitspieler. Das ist kein großes Wunder, wenn man bedenkt, dass sich die beiden Urgesteine des Salzburger Kaders schon seit 2009  großteils als Stammspieler bewährt haben. Dass diese Kontinuität nicht ganz ungerechtfertigt ist und dass weder der Schweizer noch der Österreicher schon zum alten Eisen gehören, belegen die diversen Goalimpact-Werte.
Ihre Peak-Goalimpacts liegen nur knapp unter jenen ihrer Kollegen im Abwehrzentrum. Außerdem haben sie gezeigt, dass man sich auch mit etwas weniger als 30 Jahren noch fußballerisch verbessern kann. In ihrer sowohl mit als auch gegen den Ball enorm offensiven und aggressiven Rolle sind sie förmlich aufgeblüht. Wie für die anderen Positionen auch, ist diese offensive Spielweise auch für Außenverteidiger anspruchsvoll.  Bekanntlich stehen Ulmer und Schwegler bei eigenem Ballbesitz sehr hoch (eher schon wie Mittelfeldspieler). Sie müssen zugleich dennoch auch wissen, wann sie fürs Gegenpressing sowie als Absicherung ein- und zurückrücken müssen. Sowohl der Österreicher als auch der Schweizer haben diese Aufgabe sehr gut gelernt.

Genau das wird auch das Ziel von Benno Schmitz und Peter Ankersen sein, damit sie die etablierten Kräfte unter Druck setzen und irgendwann beerben können. Prinzipiell scheint gerade Schmitz ein richtig dicker Fisch zu sein: Das Bemerkenswerte an seinem Peak-GI von 144 ist vor allem, dass er schon auf 7280 Einsatzminuten basiert und dass er bisher nie unter 130 gefallen ist. Außerdem hat sich Schmitz gerade im letzten Jahr noch einmal gesteigert. Hier ist seine bisherige Entwicklung:

Wenn man über die kurzfristige Perspektive des Spielers aus dem Nachwuchs von Bayern München spricht, ist zu beachten, dass er noch nie höher als in der 4. deutschen Liga spielen durfte. Daher sind leichte Anpassungsprobleme an das Niveau (und ans Spielsystem) vorprogrammiert. Auch Adi Hütter selbst hat (anfänglichen) "Problemen mit der Spielidee" gesprochen. Langfristig müsste er die Tordifferenz seines Teams aber sehr positiv beeinflussen.

Bei Peter Ankersen muss man die Sache differenzierter sehen. Seinem Peak-GI (107,8) nach liegt er klar hinter den anderen drei Außenverteidigern zurück. Wann hatte er seine bisher schlechteste Karrierephase?
Wenn die Grafik sprechen könnte würde sie wohl antworten: "In der Saison 2011/12!" Transfermarkt.at würde hinzufügen, dass der Däne damals in der ersten Saisonhälfte bei Vejle Boldklub in der 2. Dänischen Liga und ab März bei Rosenborg Trondheim in Norwegens höchster Spielklasse aktiv war. Offenbar ist gerade in Dänemarks Spielklasse einiges für Ankersen schief gelaufen.
Die Frage ist, inwiefern der Leistungsknick Ende 2011/Anfang 2012 noch mit seiner heutigen/zukünftigen Leistungsfähigkeit zusammenhängt. Eine manchmal etwas ungerechte Eigenschaft des Goalimpact ist, dass er Spätstarter schlechter bewertet als "Normalstarter", weil sich eben frühere, im Falle von
Spätstartern schlechtere Leistungen bei allen Spielern in gleichem Grad auf den Wert auswirken.

Jedoch muss auch in die Diskussion eingeworfen werden, dass Ankersens Entwicklung seit Mitte 2012 zwar leicht überdurchschnittlich  war, aber sie würde nicht unbedingt zu Luftsprüngen verleiten. Auch im letzten Jahr (104%) wäre ein größerer Sprung möglich gewesen, wie es seine AV-Kollegen vorzeigen.

Was Hoffnung macht, sind Ankersens Spieldaten aus der letztjährigen Europa League-Saison: Laut whoscored stechen vor allem seine Offensivstatistiken (Schüsse, Schussvorlagen, Dribblings) hervor. Zumindest bezüglich der Offensivqualitäten würde er also allemal ins Salzburger System passen. Auch die Defensivstatistiken Tackles (=Ballgewinne in direkten Zweikämpfen) und Interceptions (=abgefangene Pässe) sind in Ordnung. Lediglich die Passquote ist unterdurchschnittlich. Insgesamt weist ihm das Whoscored-Rating teamintern den 3. Platz zu, bei Squawka kommt Ankersen sogar auf Platz 2.

Zentrales Mittelfeld


Kürzlich hat Ralf Rangnick in einem Interview, das auf  Sportnet verschriftlicht wurde, gemeint, dass Stefan Ilsanker der beste Sechser in Österreich sei und dass es auch in Deutschland nicht viele bessere gebe. Ohne den Nationalspieler mit konkreten Spielern zu vergleichen, gibt Ilsankers GI Rangnick durchaus Recht: Der GI von 134 ist auf alle Fälle unter "internationale Klasse" einzuordnen und bedeutet den team- und positionsinternen Spitzenwert  für den enorm pressingstarken Mittelfeldspieler.

Christoph Leitgeb ist die laut dem - momentanen - Goalimpact die klare Nummer 2 auf seiner Position. . Leitgebs GI ist zwar "nur" der zehntbeste der Salzburger Feldspieler, aber trotzdem mehr als akzeptabel. Daran sieht man, wie gut der Kader ist. Sein Status ist vor allem deshalb gestärkt, weil mit Valon Berisha zumindest in der Hinrunde wegen eines Kreuzbandrisses nicht zur Verfügung stehen wird.

Berisha wäre ein Paradebeispiel dafür, warum das Wörtchen "momentan" oben mit Bindestrichen versehen ist: Leitgeb ist als 29-Jähriger als einer der wenigen im Salzburger Kader schon über dem besten Fußballeralter. Wenn seine Entwicklung nicht völlig anomal abläuft, wird seine Qualität nach und nach abnehmen. Gleichzeitig stoßen junge Spieler aus der zweiten Reihe nach. Und wenn diese jungen Spieler außerordentlich talentiert sind, lässt sie ein Trainer zwecks der Weiterentwicklung wahrscheinlich auch spielen, obwohl bspw. Leitgeb aktuell besser wäre. Berisha (Peak-GI 128,3) ist genauso ein Spieler, sobald er wieder fit ist.

Naby Keita dagegen ist auf den ersten Blick nicht ganz so talentiert wie Berisha oder der restliche Kader: Mit einem Peak-GI von 120 ist er ein gutes Stück vom Norweger entfernt. In seinem Fall muss das aber noch nicht unbedingt enttäuschen: In seinen GI sind erst 1917 Minuten aus der vergangenen Saison eingeflossen, und Schätzungen des GI anhand einer Saison können sehr ungenau sein. Wegen der kurzen Zeitspanne ist beim Guineer auch das Feld "1-Jahr-Entwicklung" leer.

Offensives Mittelfeld


Wie angesichts ihrer "Bottom-Up-Statistiken" zu erwarten ist, strotzen auch Kevin Kampl und Sadio Mané nur so voller herausragender GI-Werte. Aber wie gut Kampl und Mané sind, muss man sowieso niemandem erklären, der sie schon spielen gesehen hat. Interessanter sind ihre Entwicklungskurven:

(wie immer zum Vergrößern klicken oder zoomen)

Man kann zwei unterschiedliche Verläufe beobachten: Kampls Peak-GI war schon immer über 120 und, bis auf das Jahr 2010, immer über 125. Bei ihm hat man also schon seit einigen Jahren erwarten können, dass er zu einem guten Fußballer werden wird. In den letzten 1,5 Jahren, in denen der Peak-GI fast perfekt linear gestiegen ist, hat sich die Prognose auf "sehr gut" verbessert.

Mané hingegen wurde zum Zeitpunkt des Wechsels zu Salzburg (Sommer 2012) noch eine maximale Stärke von unter 120 vorhergesagt. Der Wechsel nach Salzburg hat ihm offensichtlich den Schub verpasst, der seinen Peak-GI bis auf 142,5 wachsen ließ.

Bei dieser Konkurrenz wird es auch Massimo Bruno nicht leicht haben, einen Stammplatz zu erobern. Der Neuzugang des RSC Anderlecht, der als einziger Spieler im Kader schon letztes Jahr Champions League-Erfahrung sammeln durfte, hat sich besonders im 2. Halbjahr 2012 drastisch gesteigert:

Eine Variante, um den überaus talentierten Belgier (Peak-GI 129,6) doch einzubinden, wäre eine Versetzung Kevin Kampls ins Zentrale Mittelfeld. Kampl hat ohnehin zuletzt in Sport & Talk betont, dass er sich zentral wohler fühlt. Der Tausch Bruno - Leitgeb würde nach der gerade beschriebenen Logik funktionieren: Ein junger Spieler rückt anstelle eines etwas älteren in die Startaufstellung.

Für Valentino Lazaro gilt das Gleiche wie für Keita: Bei ihm wurden sogar erst 1391 Minuten bewertet.

Angriff


Wie bei den Außenverteidigern wurde auch im Sturm ein kompletter Wechsel der 2. Garnitur durchgeführt. Marcel Sabitzer und Nils Quaschner ersetzen Yordy Reyna und Robert Zulj. Dass letzterer erst zur Winterpause gekommen war, um Havard Nielsens Leihe nach Braunschweig zu ermöglichen, belegt, wie groß die Fluktuation hinter dem Stammduo "Aliano" in letzter Zeit war. Inklusive Nielsen haben 3 Stürmer, die sich zuvor nicht wirklich durchgesetzt hatten, die Roten Bullen im Jahr 2014 verlassen, wenngleich Nielsen und Reyna lediglich verliehen sind.

Die Frage ist: Können sich Quaschner und Sabitzer besser in Szene setzen als Reyna, Nielsen und Zulj?

Die Chancen dafür scheinen gut zu sein. Beide scheinen über mehr Begabung (höherer Peak-GI) zu verfügen als ihre Vorgänger (siehe nächster Abschnitt). 125 (Sabitzer) und 126 (Quaschner) sind absolut annehmbare Werte. Hier sind die Entwicklungsgraphen:

Sowohl der Österreicher als auch der Deutsche weisen ziemlich gewöhnliche Entwicklungen auf (die Entwicklung des Peak-GI gleicht einer waagrechten Linie), auch wenn bei beiden der Peak-GI eine leicht absteigende Tendenz angenommen hat. Bei Quaschner gilt das bis auf einen Knick gegen Ende des vergangenen Frühjahres, in dem er sich mit einigen Toren für den Aufstieg vom FC Liefering zur Profimannschaft des FC Red Bull Salzburg empfohlen hat.

Neben der höheren Veranlagung gibt es bei Sabitzer und Quaschner noch jeweils einen weiteren Grund, wieso sie bessere Karten auf einen Durchbruch haben als ihre Vorgänger im Angriff: Bei Sabitzer handelt es sich um die Tatsache, dass er anders als Nielsen und Zulj auch im Offensiven Mittelfeld des 4-2-2-2 eine gute Figur abgeben würde. Reyna hätte das zwar prinzipiell auch gekonnt, aber bei ihm scheiterte es an der Qualität. Und Quaschner wäre sich wohl nicht zu schade, um ab und an als Kooperationsspieler bei Liefering Spielpraxis zu sammeln, falls er an Jonatan Soriano und Alan nicht vorbeikommt.

Das wird nämlich keineswegs einfach. Da weder Alan noch Soriano direkt an der Weltmeisterschaft teilgenommen haben, werden sie die vernichtenden Niederlagen, die Brasilien und Spanien teils erlitten haben, aller Wahrscheinlichkeit nach schnell verarbeiten. Somit sind die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass gerade Alan sein noch vorhandenes Verbesserungspotenzial ausschöpft. Wenn ihm das gelingt und er sich, ob mit Salzburg im Europacup oder mit einem starken Verein aus einer europäischen Topliga, ins Blickfeld spielt, könnte er es durchaus auch ins brasilianische Nationalteam schaffen. Glaubt man dem Goalimpact, wäre der 26-fache Torschütze von 2013/14 sogar schon bei der soeben zu Ende gegangenen WM die bessere Wahl als Fred (110,6) und Jo (114,3) gewesen.

Für Jonatan Soriano mit seien bald 29 Jahren hingegen wäre die laufende Transferperiode die fast letzte Möglichkeit (gewesen), zu einem absoluten Topverein oder eine Stufe darunter zu wechseln. Es lagen auch Angebote vor, aber Soriano habe alle abgewiesen, weil im Gesamtpaket nichts Besseres dabei gewesen sei, als es Salzburg bieten kann.
Umso größer ist die Chance, dass der Kapitän dem österreichischen Meister noch länger als Anführer erhalten bleibt. Zwar ist das Thema "Alter" für einen Spielstil mit extremem Pressing keineswegs zu negieren, aber wenn jemand trotz eines altersbedingten Verlustes an Schnelligkeit und Ausdauer noch mithalten kann, dann müsste es Soriano sein. Ohne jemals Lauf- oder Laktatwerte von ihm gesehen zu haben, würde ich behaupten, dass die läuferischen Fähigkeiten ohnehin nie die großen Stärken des Spaniers waren. Vieles gleicht er durch geistige Fähigkeiten (gute Positionierung, gutes Auge) aus, die ihm nicht so schnell abhanden kommen sollten. Demnach verliert er also in einem Bereich, über den er sich nicht wirklich definiert, während seine Stärke nicht so vergänglich ist.

Hat sich der Kader in der Breite verbessert?


Praktischerweise kann man jedem neu angekommenen Spieler einen Akteur aus dem Vorjahr zuordnen, der weggegangen ist und dessen Kaderplatz der neue Spieler einnimmt. Zuletzt wurde vielfach behauptet, dass durch die neuen Spieler der Kader in der Breite verbessert wurde, beispielsweise von Ralf Rangnick im Red Bull Audioplayer (unter "Sind bereit für den Saisonstart!"). Wenn man in einem Match reagieren muss, könne man jetzt viel besser nachsetzen als in der vergangenen Saison. Was sagt der Goalimpact dazu?

(Links die Namen und GI der Neuzugänge für 14/15, rechts das gleiche für die Kaderspieler von 13/14; dazwischen die Differenz; in der untersten Zeile die Mittelwerte der jeweiligen Spalte)

Diese Tabelle, die die aktuellen GI anzeigt, schockiert auf den ersten Blick. Marcel Sabitzer ist als einziger Neuzugang besser als sein Vorgänger (Yordy Reyna), durchschnittlich waren jedes Kadermitglied von 2013/14 um 10,8 Punkte besser. Das soll eine Verbesserung sein?

Wie jede Statistik braucht auch diese ihre korrekte Erklärung. Dabei muss auf alle Fälle bedacht werden, dass jeder neue Spieler jünger ist als sein Pendant, das er ersetzt. Anders gesagt sind all Zugänge weiter von ihrem theoretischen Karrierehöhepunkt entfernt als die Abgänge. Daher ist es fast logisch, dass die meisten Differenzen negativ sind.

Der momentane GI ist also kein guter Maßstab für eine Verbesserung des Kaders. Vor allem dann nicht, wenn ein Sportdirektor so sehr auf die langfristige Perspektive achtet wie Rangnick. Viel besser eignet sich der Peak-GI: Er ist altersunabhängig und gibt an, wie gut der Spieler voraussichtlich einmal werden wird. Also genau das Richtige:


Nunmehr hat sich das Bild komplett gewandelt: Die Neuzugänge haben den "Kampf" von 1:5 auf 4:2 umgedreht, die durchschnittliche Differenz beträgt +5,8. Besonders Benno Schmitz stellt ein klares Upgrade zu Florian Klein dar (auch zu Dusan Svento). Die Behauptung, dass sich der Kader verbessert habe, kann an man als verifiziert ansehen.

Überraschen mag den einen oder anderen, dass Marco Meilinger einen besseren Peak-GI als Massimo Bruno aufweist, obwohl er in Salzburg nie ein so großes Potenzial abrufen konnte (nur 672 Einsatzminuten in der Bundesliga). Nach dieser Information bin ich persönlich wehr gespannt, wie sich der gebürtige Salzburger bei seinem neuen Klub Austria Wien schlagen wird. Es kann schon sein, dass er vom Goalimpact ein wenig überschätzt wird, aber ein Peak-GI von 122,5 (bei Überbewertung um 10 Punkte) wäre immer noch sehr gut.
2013/14 hat Meilinger im Salzburg-Trikot zumindest nachgewiesen, dass seine große Stärke die Tor-(schuss-) Vorbereitung ist. Zwar könnten ihn auch die Bottom-Up-Statistiken wegen der geringen Einsatzzeit in der letzten Saison, garniert mit vielen Einwechslungen, leicht überschätzen, aber 3,75 Torschussvorlagen pro 90 Minuten sind ans sich ein überragender Wert. Da auch die Qualität der Vorlagen die zweitbeste hinter der von Sadio Mané war (=>hohe Quantität und Qualität), kann man auch bei seinen 0,67 Assists pro 90 Minuten nicht von Glück reden.

(Manch einer wird wohl anmerken, dass man für die aktuelle Qualität den aktuellen GI und nicht den Peak-GI nehmen müsse; was bringt ein hoher GI in einigen Jahren bezüglich der Fähigkeit,  jetzt eine gute Alternative zu sein?
Dieses Argument ist nur teilweise gültig. Ein Spieler mit hohem Peak-GI besitzt seine guten Grundveranlagungen  meist schon mit 20, kann sie aber noch nicht so konstant gewinnbringend einsetzen, weswegen 20-Jährige generell noch keinen so hohen Goalimpact haben. Aber zumindest für Einsätze als Einwechselspieler, in denen sie Schwung bringen können, oder wenn sie gerade gut in Form sind, können auch junge Spieler sofort helfen.
Es muss sowieso von keinem der Neuen erwartet werden, sofort eine tragende Rolle zu übernehmen, weil alle Stammspieler gehalten werden konnten).

Fazit


Alles in allem scheint dieser Kader ziemlich stark zu sein. Alle (!) Stammspieler von 2013/14 wurden gehalten. Da der GI die Qualität gut quantifizieren kann (womöglich mit einem kleinen Hang zur Übertreibung bei Salzburg), sieht man wie stark diese Spieler, von Schwegler bis Alan, - nicht nur für österreichische Verhältnisse - wirklich ist.
Zu diesen Stammkräften wurden einige gut veranlagte Nachwuchskräfte hinzugefügt, die mehr Begabung besitzen als ihre Vorgänger aus der letzten Saison und obendrein jünger sind. Unter normalen Umständen sollten sie auch im Sommer 2015 so weit sein, um Abgänge von Kampl & Co. einigermaßen gut zu kompensieren. Außerdem drängen einige Jungspunde aus dem eigenen Nachwuchs nach (u.a. Konrad Laimer, Ante Roguljic, Asger Sörensen), die wegen mangelnder bisheriger Einsätze im Prof ibereich bei dieser Analyse gar nicht berücksichtigt wurden.

Falls jemand noch Sorge haben sollte, weil die Neuzugänge doch etwas hinter den Stammspielern hinterherhinken, seien noch 2 Punkte angefügt. Sie fußen auf Erfahrungen aus der Vergangenheit, müssen folglich nicht unbedingt auch für die Zukunft gelten, aber zumindest die Zuversicht lässt sich damit steigern:

So sah die vom GI prognostizierte Elf vor der Saison 2013/14 aus:

Lediglich an 3 Stellen stimmt das Personal nicht mit der tatsächlichen Stammelf überein: Gulácsi/Walke, Hinteregger/Schiemer, Mané/Svento.
Das wirft ein gutes Bild aus die Prognosefähigkeit des Goalimpacts. Andererseits zeigt das Ergebnis auch, dass die Vorhersage mit den aktuellen GI nicht unfehlbar ist: In allen drei Beispielen hat ein junger, aufstrebender Spieler einen arrivierteren, der in der Vergangenheit sicherlich sehr gute Leistungen für Salzburg erbracht hatte, übertrumpft. Es handelt sich also klar um die Kaderdynamik, die schon im Abschnitt zum Zentralen Mittelfeld erläutert wurde (s.o.). In 2 Fällen wurde der Übergang von Verletzungen Schiemers und Sventos begünstigt. 

Das Zweite hängt mit dem Fortschritt des gesamten Kaders zusammen. Und zwar hat fast jeder Spieler, der in der letzten Saison Pflichtspielminuten für Salzburg absolviert hat, seinen Peak-GI (also die Grundveranlagung) in der Zeit in Salzburg (vom Zeitpunkt des Wechsels bis heute) gesteigert. Als einzige Ausnahme ist Yordy Reyna zu nennen (Von Havard Nielsen kenne ich die Entwicklung nicht). Dieses erstaunliche Resultat hat beileibe nicht nur mi der Saison 2013/14 zu tun auch länger dienende Spieler wie Dusan Svento, Andreas Ulmer oder Florian Klein, sind positiv betroffen. Selbst Spieler wie Isaac Vorsah und Rodnei, deren Zeit in Salzburg wegen vieler Verletzungen eher durchwachsen verlief, sind inkludiert.

Das bedeutet ein relativ gutes Zeugnis für die Transferpolitik (die Spieler, die bis einschließlich 2013/14 gehalten werden konnten, waren allesamt entwicklungsfähig, als sie verpflichtet wurden). Auch kann man hineininterpretieren, dass die Trainingsbedingungen anscheinend tatsächlich so gut sind. Und zu guter Letzt bedeutet das, dass man laut den Erfahrungen aus der Vergangenheit auch bei den jetzigen Transfers eine Steigerung der Peak-GI erhoffen darf.

Als Schlusswort soll festgehalten werden, dass hohe Fähigkeiten der Einzelspieler natürlich nicht zwingend gute Ergebnisse bringen. Der Goalimpact beschreibt schließlich nur, wie gut der Spieler die Tordifferenz seiner Mannschaft beeinflusst, nicht das aber das Wie. Es könnte sein, dass eine Ansammlung von Spieler mit hohem GI taktisch einfach nicht zusammenpasst.
Nach den Eindrücken der letzten Saison kann man aber auf jeden Fall sagen, dass ein Großteil des Kaders sehr wohl ein ein hervorragendes taktisches Korsett zusammenfügbar ist. Daher liegt es seit ca. 1 Monat an Adi Hütter, dieses System weiterzuentwickeln und die Neuzugänge darin zu integrieren.

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